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Unversehrtheitskontrollen ein Menschenrechtsverstoss?

Juni 26th, 2011 | Posted by Simone Schwarz in Entwicklungshilfe

Wie Hobby-Entwicklungshelfer die Menschenwürde gegen den kindlichen Opferschutz wenden

Beim Thema Genitalverstümmelung gehen offensichtlich regelmäßig die Lichter in verschiedenen Oberstübchen aus. Was sich bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder niemand trauen würde, geht bei dem putzigen Verstümmelungs-Brauch, der kulturell doch auch irgendwie klar geht, recht leicht, wie unser jüngstes Erlebnis zeigt:

Die Badische Zeitung berichtete im März über einen Verein, der angeblich den Verzicht auf Verstümmelung zur Bedingung in seinem Projekt mit Maasai in Tansania mache: „Außerdem sind die Infrastrukturprojekte an die Bedingung geknüpft, dass wirklich keine Frauen mehr beschnitten [sic!] werden.“

Hörte sich für eine am Kinderschutz-Thema Genitalverstümmelung interessierte Leserin erst einmal vielversprechend und womöglich unterstützenswert an. Auf der Website des Vereins war über diesen Ansatz nichts zu erfahren, also fragte sie beim Verein direkt nach, seit wann denn diese Bedingung gestellt werde. Der Verein ruderte zurück:

„Die Stellung einer Bedingung ist tatsächlich neu in unserer Arbeit und ich könnte das als generelles Merkmal … auch gar nicht bestätigen.“

Da hatte sich die Zeitung wohl etwas weit aus dem Fenster gelehnt. Zu erfahren war, dass die Arbeit des Vereins im Wesentlichen darin bestehe, die in Deutschland eingesammelten Spenden nach Afrika zu schicken, um Aufklärungskampagnen zu finanzieren (Transport/Autokosten, Schulungsmaterial, Bürokosten, Verpflegung).

Leider stoßen diese Aufklärungskampagnen nicht auf Gegenliebe bei der Zielgruppe:

„Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die Massai jeglicher Aufklärung ablehnend gegenüberstehen und an der Abschaffung der Genitalverstümmelung mit durchaus pfiffigen Argumenten festhalten wollten. Erst die Evangelisierung und die Berufung auf ein Verbot Gottes brachte dann den gewünschten Erfolg.“

2006 hätten die Maasai dem Verein gegenüber dann das Ende der Verstümmelungen erklärt und im Gegenzug um Hilfsmaßnahmen, wie z.B. einen Brunnen gebeten, der mit Mitteln des Bundesentwicklungsministeriums auch tatsächlich gebaut wurde. Und weil die Maasai schließlich versprochen haben, ihre Mädchen nicht mehr zu misshandeln, kommt der Verein zu dem Schluss:

„Wir können also in diesem Fall tatsächlich davon ausgehen, dass die Nutznießer der Brunnen mit der Mädchenverstümmelung aufgehört haben.“

Die Leserin interessierte sich vor allem aber dafür, wie das versprochene Ende der Genitalverstümmelungen denn konkret eingehalten werde und bekam haarsträubendes zu lesen:

„Am eindeutigsten wäre natürlich eine jährliche gynäkologische  Untersuchung aller Mädchen. Das ist aber aus Menschenrechtsgründen nicht möglich, weder in Tansania, noch bei uns in Deutschland.“

Unversehrtheitskontrollen als einzige sichere Schutzmaßnahme für diese Kinder verstoßen nach Ansicht eines christlichen Vereins also gegen die Menschenrechte! Zwar wird die Trickserei der Maasai genau beschrieben, aber letztlich ist doch klar:

„Wir müssen uns also auf die Angaben der Menschen vor Ort verlassen, das erfordert Vertrauen. (…) Hinzuzufügen ist noch, dass die Massai als sehr ehrlich und geradeheraus bekannt sind. Auf deren Wort kann man sich verlassen. Sie würden auch sagen, wenn sie von der Sitte nicht ablassen wollen.“

Von der eklatanten Nichtkenntnis der rechtlichen Lage – selbstverständlich ist auch in Deutschland im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen die Genitaluntersuchung vorgesehen -, zeugt diese Auffassung vor allem von einem erschütternden Menschenbild: Die brutalsten Gewaltverbrechen an hilflosen kleinen Mädchen werden hier als „Brauch“ verniedlicht, die Täter in Schutz genommen und das Leiden komplett ignoriert.

Nicht das Verbrechen an wehrlosen Kindern, sondern die Aufdeckung der Taten verursachen dem westlichen Gutmenschen das Kopfweh!

Foto: © Kim TD/Flickr

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