Die Diskussionsveranstaltung, zu der das Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V. letzte Woche eingeladen hatte – und die nach Einschätzung der Veranstalter sehr gut besucht war – bestätigte einmal mehr den unüberwindbaren Dissens zwischen der Forderung der TaskForce nach konsequentem Kinderschutz und der Duldung von Genitalverstümmelungen an Patenmädchen durch Plan International (und andere Patenkind-Organisationen).
So war es denn vorhersehbar, dass Anke Butscher, die souveräne Moderatorin der Diskussion, den Abend mit dem Resümee beenden musste, es gäbe – außer dem selben Thema – wohl keinen gemeinsamen Nenner zwischen den unterschiedlichen Ansätzen.
Zur Erinnerung: Seit dem Start der Patenmädchen-Kampagne im September 2009 rechtfertigt Plan International die Duldung von Genitalverstümmelungen an bis zu 250.000 Patenmädchen mit monoton rezitierten, kulturrelativistischen Phrasen, die neben der völligen Abwesenheit von Empathie für (Paten-) Kinder als Opfer schwerster Gewalt auch ein hohes Maß an Realitätsferne wie auch Menschenverachtung entlarven:
„Wir wollen keinen Druck ausüben“
versicherte Anja Stuckert auch diesmal wieder im Hinblick auf die von uns geforderten umfassenden, messbaren Schutzmaßnahmen im Rahmen sorgfältig konditionierter Entwicklungshilfe. Dies sei nicht mit dem „partnerschaftlichen Ansatz“ von Plan International vereinbar – der beinhaltet, die Patenkinder so lange schutzlos der Verstümmelung zu überlassen, also täglich neue Opfer zu „produzieren“, bis die Aufklärungs- und Überzeugungsversuche eventuell Früchte tragen und „die ganze Gemeinde die Praxis ablehnt“.
Ohne einen weiten Exkurs in die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung unternehmen zu wollen, werfe ich die Frage auf, weshalb Plan seit Jahren derartigen Nonsens von sich geben darf – wohlgemerkt, um die Duldung gegenüber einem schweren Verbrechen zu rechtfertigen – ohne dafür von der Öffentlichkeit und den Spendern in Grund und Boden kritisiert zu werden?
Denn die von Plan International aufgestellte Behauptung, ein gesellschaftlicher Konsens sei notwendig, um ein schweres Kollektiv-Verbrechen wie Genitalverstümmelung adäquat zu verhindern, entbehrt jeglicher Grundlage und entspringt einer offenbar lebhaften Fantasie!
Ich erinnere daran, dass selbst in Demokratien der Großteil der weitreichendsten Entscheidungen selbstverständlich NICHT durch unmittelbare Mehrheitsentscheidungen der gesamten Gesellschaft getroffen wird, sondern dies in den Aufgabenbereich der (gewählten) gesellschaftlichen Vertreter fällt, wobei die Grundrechte – also die Pfeiler der Gesellschaft – unabdingbar sind und per se zu keinem Zeitpunkt irgendwelchen Mehrheitsentscheidungen zur Disposition stehen!
Es gibt insofern keinen validen Rechtfertigundsgrund, die gesellschaftlichen Entscheider der Verstümmelungs-Kulturen (vorwiegend auf Gemeinde-Ebene) nicht in die Pflicht zu nehmen zugunsten einer Entscheidung – für das Wohl und die Entwicklungsfähigkeit ihrer Mitglieder, d.h. von ihnen zu erwarten, für die Gemeinde den künftigen Verzicht auf Genitalverstümmelungen zu beschließen und durchzusetzen – so wie wir es mit der Patenmädchen-Kampagne fordern und wie es von erfahrenen Aktivistinnen vor Ort als „genial“ und „lebensrettend“ beurteilt wird.
Hinzu kommt die Tatsache, dass Plan International seine widersinnige Erwartung auf der ebenfalls irrigen Mutmaßung gründet, die Täter-Eltern, die ihre Töchter verstümmeln lassen, seien „liebevolle Eltern und wollten nur das Beste für ihre Kinder“:
Bereits im Januar 2007 widersprach die mit „1.000 Frauen für den Frieden“ für den Friedensnobelpreis nominierte Menschenrechtlerin, Dipl. Psych. Monika Gerstendörfer diesem Trugschluss und erinnerte daran, dass es sich dabei um eine durch nichts zu beweisende These bzw. einen frommen Wunsch handele: Im realen Leben sei das „Eltern-Kind-Verhältnis und das Erwachsenen-Kind-Verhältnis… schon immer eines der schlimmst möglichen Gewaltverhältnisse“:
„Diese Aussage beeinhaltet die Annahme (oder ist es ein frommer Wunsch?) sowie die durch nichts zu beweisende These, dass Mütter und Väter grundsätzlich „gut“ zu ihren Kindern sind; nur das Beste für sie wollen.
Das ist falsch.
Und:
Wer mit solch einer falschen These startet, landet unweigerlich bei falschen Schlüssen.
Denn:
Nirgendwo auf der Welt sind Eltern grundsätzlich gut zu ihren Kindern. Man öffne bitte die Augen und sehe sich den Zustand dieses Planeten an…!
Das Eltern-Kind-Verhältnis und das Erwachsenen-Kind-Verhältnis war schon immer eines der schlimmst möglichen Gewaltverhältnisse.
Weltweit werden Kinder geprügelt, sexualisiert misshandelt, verkauft, als Kindersoldaten missbraucht, psychischem innerfamilialem Terror ausgesetzt, verbrüht, mit brennenden Zigaretten traktiert, dem Hungertod überlassen, sogar an den Genitalien verstümmelt u.v.m.
DAS ist der Punkt.
Und natürlich gibt es bei vielen dieser Gewaltformen einen massiven Gender-Effekt, der mit den partriarchalen Gesellschaften auf der Erde unmittelbar zusammenhängt…“
Auch wir haben die tatsächlichen – und keineswegs ehrenwerten oder gar liebevollen – Intentionen der Verstümmlelungs-Täter fundiert beschrieben.
Plan International suggeriert in seinen PR-Aussagen regelmäßig, Entwicklungshilfe bestünde aus einseitigem, bedingungslosem Geben von Geldern und materiellen oder personellen Ressourcen. Dabei dürfte bereits jedes Kind wissen, dass die Realität anders aussieht – und selbstverständlich die Empfänger sich an Bedingungen und Auflagen zu halten haben, um der Effizienz, Nachhaltigkeit und Verantwortung gegenüber den Gebern (in diesem Fall gegenüber den Spendern) gerecht zu werden.
So haben verschiedene Organisationen – wie die Caritas – strikte Konsequenzen erarbeitet, wenn z.B. sexualisierte Gewalt in ihren Projekten verübt und nicht angemessen verfolgt wird.
Plan International konnte bisher keinen schlüssigen Grund vorbringen, weshalb die Umsetzung ähnlicher Sanktionen im Fall verübter Genitalverstümmelungen in den eigenen Projekten keine Wirkung im Sinne sofortigen, messbaren Schutzes zeigen könnte – zumal der Verein bislang noch nicht einmal den Versuch unternommen hat, diese Strategie umzusetzen.
Die Weigerung von Plan International, ca. 1/4 Million Patenmädchen (die zum Zweck der Spendenakquise vermarktet werden) vor der vermeidbaren, schweren Gewalt der Genitalverstümmelung durch konsequente Maßnahmen zu schützen, muss sowohl in ihrer moralischen Verwerflichkeit verurteilt werden als besonders auch im Hinblick darauf, die Täter bzw. das Täterkollektiv in ihrem gewaltsamen Tun zu bestärken: Denn aus der Gewaltforschung wissen wir, dass „jedes gewalttätige Verhalten, das ohne ernste Missbilligung oder Konsequenzen bleibt eine direkte Aufforderung bedeutet, dieses Verhalten beizubehalten bzw. zu wiederholen“.
Es rückt Plan International daher auch kaum in ein besseres Licht, in der Öffentlichkeit zu behaupten:
„Wir sind eine lernende Organisation“ .
Spätestens seit der sich permanent wiederholenden Rechtfertigungsversuche gegenüber der Duldung der schweren Kinderrechtsverletzung „Genitalverstümmelung“ dürfte jeder reflektierte Geist den fehlenden Wahrheitsgehalt dieser Aussage erkennen:
Davon abgesehen, dass wohl Jede/r einen permanenten Lernprozess für ein Unternehmen/eine Organisation als selbstverständlich voraussetzt – und es insofern ohnehin stutzig macht, wenn eine Vereinigung meint sich diese Eigenschaft auf die Fahnen schreiben zu müssen – legt Plan in der täglichen Praxis immer wieder einen enormen Unwillen zur Erkenntnis und zum Lernen an den Tag und beharrt mit unbeirrter Erkenntnisresistenz – also der aktiven Weigerung, Wissen anzunehmen – auf den seit Jahrzehnten kultivierten verqueren kulturrelativistischen Ansichten, Haltungen und Handlungen – ungeachtet des Leids für tausende Kinder, das auf diese Weise in Kauf genommen wird.
Abschließend noch ein Wort zu dem Verein Terre des Femmes, der – vertreten durch Heidemarie Grobe – ebenfalls an der Veranstaltung teilnahm: Terre des Femmes ist entwicklungspolitisch so unbedeutend, dass es sich kaum lohnt, ein Wort über die diesbezüglichen Aktivitäten zu verlieren:
Knapp 90% des Budgets des Vereins flossen 2010 in Personalkosten, Miete, Eigenwerbung (als „Öffentlichkeitsarbeit deklariert) und sonstige eigennützige Anschaffungen – sodass mit Fug und Recht behauptet werden kann, dass der Verein ausschließlich dem Selbstzweck dient.
Gerade einmal 39.500,-€ wurden an insgesamt 6 Projekte weitergeleitet, also im Durchschnitt 6.585,-€ pro Jahr und Projekt. Der Schaden, den der Verein damit u.U. anrichten könnte, fällt – im Gegensatz zu Plan International – entsprechend gering aus.
Weniger vernachlässigt werden darf hingegen die Tatsache, dass Terre des Femmes in der Öffentlichkeitsarbeit die verfehlten Ansätze von Plan International unterstützt und somit indirekt gegen den Schutz der Opfer agiert sowie in konkreten Fällen ebenfalls Mädchen der Verstümmelung ausliefert und Täter schützt…
Insgesamt zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre, dass es fraglich ist, ob und wann Plan International (und andere Patenkind- oder Entwicklungshilfeorganisationen) endlich den dringend nötigen, unbedingten Schutz der Kinder in ihren Projekten umsetzen, aber der Stein ist im Rollen und eins dürfte Plan & Co. mittlerweile klar geworden sein: Für ihre Duldung schwerer vermeidbarer Kinderrechtsverletzungen dürfen sie – von einer wachsenden Anzahl Menschen – keinen Respekt erwarten.
Fotos (c) M.Kant
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