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Genitalverstümmelung & Bundesärztekammer: Populismus statt wirksamer Hilfe

März 11th, 2013 | Posted by Ines Laufer in Allgemein | Ärzteschaft / Bundesärztekammer | Kommentare | Terre des Femmes

Obwohl die Krankenkassen bestätigen, dass notwendige Behandlungen bei verstümmelten Frauen selbstverständlich übernommen werden und FGM bereits mit dem Diagnoseschlüssel S38.2 erfasst werden kann, will die Bundesärztekammer einen „eigenen Diagnoseschlüssel“ einführen

Am 8. März 2013 – dem internationalen Weltfrauentag – ließ die Bundesärztekammer über ihren Menschenrechtsbeauftragten Dr. Ulrich Clever verlautbaren, sie unterstütze die Aufnahme der weiblichen Genitalverstümmelung in den medizinischen Diagnoseschlüssel (ICD 10).

Erst dann, so suggeriert Clever, „können Ärzte endlich eine klare diagnostische und damit auch therapeutische Zuordnung treffen“ und es würde „klargestellt, dass die Krankenkassen notwendige Behandlungen für die betroffenen Frauen ausnahmslos übernehmen“.

Initiator der Aktion „Diagnoseschlüssel Genitalverstümmelung“ war der Verein Terre des Femmes, der die Öffentlichkeit schon im Jahr 2011 mit einer entsprechenden Petition beschäftigt und ihr 21.000 Unterschriften abgerungen hatte. Diese Unterschriften waren im August 2011 mit viel TamTam dem Bundesgesundheitsministerium übergeben wurden.

Wir berichteten damals ausführlich über diese überaus peinliche und dilettantische Aktion, denn u.a. war das Ministerium die völlig falsche Adresse, da es gar nicht zuständig ist für den Diagnoseschlüssel und der Verein hätte ein entsprechendes Aufnahmeverfahren längst selbst auf den Weg bringen können!

Da sich die Bundesärztekammer nun auf das Trittbrett dieser Aktion stellt, gehen wir noch einmal auf die Fakten ein:

Müssen Opfer von Genitalverstümmelung in Deutschland die Kosten für medizinische Behandlungen selbst tragen?

Bis heute ist Terre des Femmes – abgesehen von einer krude konstruierten Geschichte – sämtliche validen Belege schuldig geblieben für seine Behauptung, Verstümmelungsopfer erhielten aufgrund eines fehlenden Diagnoseschlüssels keine Kostenübernahme für medizinische Hilfe: Der Verein hat weder Zahlen noch Fakten oder Beweise dafür vorgelegt, welche konkreten Operationen/Behandlungen von welchen Krankenkassen in wie vielen Fällen abgelehnt wurden!

Schon 2011 hatte  Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes die haltlosen Vorwürfe zurückgewiesen: Die Behandlung medizinischer Schäden durch Genitalverstümmelung einschließlich notwendiger Psychotherapien würden durchaus von den Kassen bezahlt.

Daher haben wir heute den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesärztekammer in einem Schreiben gebeten, uns konkrete Belege zu senden – d.h. Information darüber, welche Behandlungen wie oft von welchen Krankenkassen abgelehnt wurden.

Es gibt bereits einen Diagnoseschlüssel, mit dem Genitalverstümmelungen erfasst werden können!

Auch wenn dahingestellt bliebe, ob die Aufnahme von weiblicher Genitalverstümmelung als eigenständigen Code in den Diagnoseschlüssel als sinnvoll zu erachten sei oder nicht, lässt sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt diese Verletzung problemlos erfassen, verschlüsseln und behandeln  – und zwar mit der ICD-Nummer S38.2 – “traumatische Amputation der äußeren Genitalorgane” – weshalb wir die Bundesärztekammer um Erläuterung gebeten haben, aus welchem Grund dieser Schlüssel für eine diagnostische Zuordnung ungeeignet sei. Wir erwarten gespannt die Antwort.

Populismus statt Hilfe und wirksamer Maßnahmen

Fassen wir die Fakten zusammen, so wird deutlich, dass bislang die Notwendigkeit für die Schaffung eines neuen ICD-Codes NICHT ersichtlich ist, da

1. nicht belegt wurde, welche Behandlungen von welchen Krankenkassen aufgrund eines fehlenden Codes abgelehnt wurden und

2. bereits ein Code existiert, mit dem die Genitalverstümmelung erfasst werden kann.

Die Aktion steht mithin für reinen Populismus und entfernt die Bundesärztekammer wieder ein Stück von der Möglichkeit, sich beim Engagement gegen Genitalverstümmelung mit Ruhm zu bekleckern, zumal sie die WIRKLICH notwendigen und wirksamen Maßnahmen – wie z.B. ärztliche Meldepflicht bei drohender oder diagnostizierter Genitalverstümmelung bei minderjährigen Mädchen – seit Jahren mit Vehemenz boykottiert.

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