Die aktuelle Meldung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) zum Thema weibliche Genitalverstümmelung ist ein hervorragender Anlass, einen längst überfälligen Blick auf den tatsächlichen Umgang des Ministeriums mit dieser Gewalt zu werfen:
Obwohl dem BMZ das z.T. flächendeckende Ausmaß der Genitalverstümmelungsgewalt ebenso bekannt ist wie die Tatsache, dass diese schwere Menschenrechtsverletzung aufgrund der seelischen und körperlichen Schäden jegliche nachhaltige Entwicklung verhindert, werden so gut wie keine Mittel für Maßnahmen zur Beendigung dieser Gewalt freigegeben, und die wenigen Gelder zudem in weitgehend fragwürdigen Projekten, die auf wirkungslose Strategien setzen, verschwendet:
Der Kampf gegen Genitalverstümmelung, d.h. eine Gewalt, die an bis zu 95% der gesamten weiblichen Bevölkerung der jeweiligen Länder verübt wird, ist dem BMZ nur Peanuts wert:
– Von 1999 bis 2010 investierte das BMZ nicht mehr als 772.000 Euro pro Jahr in sogenannte Anti-FGM-Projekte, aufgeteilt auf 6 Länder und somit lediglich einen Bruchteil der Gebiete, in denen die Verstümmelungen verübt werden.
– Zum Vergleich: Fast eine Milliarde Euro unserer Steuergelder pumpt das BMZ jedes Jahr zugunsten „anderer Prioritäten“ in die Verstümmelungsländer, z.B. jeweils mehr als 150 Millionen Euro jährlich nach Ägypten und Äthiopien – beides Länder, in denen die Verstümmelungen von der Regierung nach wie vor stillschweigend geduldet und Gesetze zum Schutz von Mädchen nicht umgesetzt werden.
Dabei hatte Entwicklungsminister Dirk Niebel kurz nach seinem Amtsantritt 2009 großspurig verkündet, dass die mit deutschen Geldern finanzierten Projekte „unter Vorbehalt“ stünden und „Länder, denen wir helfen, …müssen die Menschenrechte einhalten.“ Für Länder, die dieser Vorgabe zuwider handeln, drohte er „Konsequenzen für die Zusammenarbeit“ an und nannte als Beispiel Uganda’s geplante Verschärfung der Bestrafung von Homosexualität.
Die Duldung der jeweiligen Regierungen gegenüber der systematischen Verstümmelung aller weiblichen Kinder ihres Landes – wie z.B. der vom BMZ hochbegünstigten Länder Ägypten und Äthiopien – ist für Niebel jedoch kein Grund, Konsequenzen in Erwägung zu ziehen, geschweige denn umzusetzen!
Schon unter seiner Amtsvorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul wurde vom BMZ die – im Hinblick auf die entwicklungshemmenden Auswirkungen von Menschenrechtsverletzungen und Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern sinnvolle und berechtigte – Forderung von Politikern wie dem ehemaligen Menschenrechtsbauftragten der Bundesregierung Günter Nooke, die „Einhaltung der Menschenrechte stärker zur Voraussetzung für die Zahlung von Entwicklungshilfe“ zu machen, in selbstgefälliger Weise abgeschmettert.
Die ohnehin spärlichen Mittel werden für wirkungslose Maßnahmen ausgegeben:
Von Anfang an bis heute lautet die eindimensionale Strategie – mit der das BMZ meint Genitalverstümmelungen beenden zu können – unverändert:
Dabei ist bezeichnend, dass das Ministerium seit 1999 keine einzige entsprechende Evaluierung (d.h. Wirksamkeitsnachweis) erbracht hat, denn eines wissen wir heute sicher über diese „Strategie“:
„Sie funktioniert nicht. Sie kann nicht funktionieren – denn sie basiert auf der irrigen, falschen Annahme, dass diejenigen, die ihre Töchter verstümmeln lassen aus Unwissenheit oder mangelnder Bildung handeln.“
Gleiches gilt für die Förderung unwirksamer NGO-Projekte durch das BMZ: So zahlte das Ministerum u.a. mehr als 360.000 Euro an den Verein Kindernothilfe, über dessen Betrug wir hier bereits berichteten und hat bis heute nicht dargelegt, welche Konsequenzen der Verein aufgrund seiner verfälschten Evaluierung und des fehlenden Erfolgsnachweises zu erwarten hat.
Das enorme Ausmaß von Genitalverstümmelungen in arabischen und asiatischen Ländern verschweigt das BMZ.
In seiner aktuellen Meldung schreibt das BMZ, Genitalverstümmelung werde “vorwiegend in 28 Ländern Afrikas und in wenigen arabischen und asiatischen Staaten praktiziert”.
Thomas von der Osten-Sacken – Geschäftsführer von Wadi e.V. – stellt dazu treffend fest:
“wenige arabische Staaten”? Nun bekanntermaßen existiert FGM in: Ägypten, dem Sudan, Jordanien, Oman, dem Jemen, Saudi Arabien, den UAE, Qatar, Bahrain dem Irak, Mauretanien und vermutlich in Syrien. Somalia gehört offiziell der arabischen Liga an. Das sind 12 Länder, also mehr als die Hälfte aller arabischen Staaten…
Darüber hinaus sind auch in asiatischen Ländern bis zu 80% aller Mädchen betroffen, z.B. in Indonesien, Malaysia, Iran, Irak, Pakistan, Tadjikistan, in Teilen von Indien und auf den Malediven. Aus anderen Ländern der Region liegen bislang lediglich noch keine Daten vor. Das bedeutet:
Die richtige Formulierung wäre, dass FGM in fast allen asiatischen Ländern mit muslimischen Mehrheitsbevölkerung praktiziert wird. Das aber klänge ja irgendwie islamophob, also leugnet man lieber auf Kosten von Millionen betroffener Mädchen und Frauen die Praxis, beziehungsweise verniedlicht sie, wo man sie nicht mehr ganz verleugnen kann.
Fazit: Obwohl dem BMZ das Ausmaß und die Folgen – sowohl individuell für die Opfer als auch gesellschaftlich hinsichtlich der Verhinderung von Entwicklung – bekannt sind, zeigt die konkrete Politik des Ministeriums, dass hier zwischen Worten und Taten Welten liegen…
Foto: Screenshot BMZ-WebSeite
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