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FGM im „Stern“: Von Verharmlosung bis Volksverdummung

Juli 8th, 2011 | Posted by Ines Laufer in Jawahir Cumar / Stop Mutilation | Kommentare | Medien

Im aktuellen „Stern“ (28/2011, S. 86-89) muss das Thema „Genitalverstümmelung“ zum Füllen des Sommerlochs herhalten.

In dem Beitrag von Helen Bömelburg geht es dabei vordergründig um die Arbeit des französischen Arztes Dr. Pierre Foldes , der bereits vor 30 Jahren eine einfache Operationsmethode entwickelte, um Opfern von Genitalverstümmelung eine „neue“ Klitoris und damit die Chance auf das zu schenken, was ihnen die VerstümmlerInnen auf bestialische Weise zu nehmen wagten: eine erfüllte Sexualität.

Die Verdienste dieses  Mannes einmal ausgiebig zu würdigen war m.E. längst überfällig und könnte mit reichlich Lob bedacht werden. Könnte.

Aber das, was Bömelburg der Leserschaft in einer Mischung aus Populismus, Voyeurismus, sprachlicher Verharmlosung und falschen Informationen zumutet, reiht sich so  nahtlos in die Reihe der irreführenden Artikel ein, mit denen Stern seit nunmehr 17 Jahren beim Thema „Genitalverstümmelung“ zur Volksverdummung beiträgt, dass man nicht nur einfach schlampige Recherche unterstellen mag sondern Kalkül und Absicht. Ein paar Beispiele:

– Seit 1994 bagatellisiert der „Stern“ – wie Frau Bömelburg – das Verbrechen der Genitalverstümmelung unbeirrt als „Beschneidung“. Gerade von Journalisten darf jedoch ein verantwortungsvoller Umgang mit Sprache erwartet werden, da ihnen mehr als anderen die Wirkung verharmlosender Begriffe bewusst sein dürfte.

– Das wilde Sammelsurium, das die Autorin als Hintergrund-Informationen zusammengeschrieben hat, belegt mehr als nur  fehlende Sorgfalt: Obwohl heute mit Hilfe von Google und wenigen Klicks schnell recherchiert werden kann, dass in Deutschland 30.000 bis 50.000 Mädchen von Genitalverstümmelung bedroht  sind, bringt Frau Bömelburg ungeprüft und unreflektiert die falschen weil viel zu niedrigen Zahlen von TERRE DES FEMMES unters Volk und präsentiert daneben eine Reihe vermeintlicher Experten, die ihren Senf zur Thematik dazugeben dürfen, wie z.B. ein Plan-Gehilfe, der glauben machen will, Genitalverstümmelung sei eine „Neigung“, der durch Integration beizukommen sei: Solche Aussagen entbehren jeder Grundlage: Auch in Schweden, Norwegen und Holland z.B. verhindert „gute Integration“ der Migranten nicht, dass 70-80% der Mädchen verstümmelt werden.

Der Frauenarzt Heribert Kentenich darf unwidersprochen herablassende Macho-Weisheiten von sich geben wie: „Das Erleben der Sexualität bei Frauen hat wenig mit Organen und Gewebe zu tun, sondern mit der Psyche“ – und somit negieren, dass (genau wie beim Mann)  die wichtigste Voraussetzung für eine erfüllte weibliche Sexualität funktionstüchtige Organe  sind (insbesondere die Klitoris), deren Verlust/Zerstörung/Verstümmelung nicht mal eben psychisch kompensiert werden kann.

– Schließlich kommt Jawahir Cumar zu Wort, die vom „Stern“ als Vorzeige-Betroffene abonniert zu sein scheint und bereits bei „Stern-TV“ um Verständnis für die Verstümmelungstäter werben durfte. Cumar, die der Öffentlichkeit das Verbrechen gern mal als  „Akt der Fürsorge“ verkauft, gibt gar dem deutschen Staat die Schuld an der Weiterführung der Verstümmlungen hierzulande – weil er die Täter nicht sofort einbürgern mag, sondern „viele Einwandererfamilien lediglich duldet“. Wieder setzt die Journalistin nichts entgegen.

Dabei werfen Cumar’s Auftritte grundsätzlich jede Menge Fragen auf, die ihr bloß noch keine/r gestellt hat, womöglich weil man ihr einen „Betroffenen-Bonus“ gewährt: So musste sie noch nie Rede und Antwort stehen, woher sie so genau weiß, wie Verstümmelungen an Mädchen in Deutschland ablaufen, was die kosten etc und vor allem: Welche Maßnahmen sie ergreift/ergriffen hat, wenn sie konkrete Informationen solcher Taten erhalten hat.

Auch scheint bisher niemand nachgefragt zu haben, was aus der Krankenhaus-Ruine in Somalia geworden ist, für die Cumar’s Verein „Stop Mutilation e.V. u.a. von Vattenfall großzügige Spenden erhalten hat: Seit 2006 gibt es weder updates noch Bilder etc.

Noch kein Journalist kam auf die Idee, von Frau Cumar Zahlen und Fakten ihrer sogenannten „Präventionsarbeit“ (die aus Kaffeekränzchen und Filmvorführungen besteht) anzufordern, d.h. valide Informationen darüber, wieviele Mädchen geschützt wurden und woran der Schutz gemessen wird, oder um Aufklärung ihrer widersprüchlichen Aussagen zur Zusammenarbeit mit deutschen Behörden (Jugendämtern) zu bitten.

Doch spätestens seit Cumar’s Russisch-Roulette-Spielchen um das Leben und die Gesundheit von Mädchen mit Steuergeldern finanziert, bzw. durch die „stiftung Stern“ untersützt werden, sollten sich die Öffentlichkeit und Medien für diese Fragen (die sich bereits bei oberflächlicher Betrachtung aufdrängen) interessieren…

Helen Bömelburg hat die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen und sich journalistisch wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert: Vielleicht sollte sie sich künftig wieder so unverfänglich-bequemen Themen wie Sprachreisen widmen.

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