Ein Kommentar der TaskForce-Initiatorin Ines Laufer anlässlich der gestrigen Beratung eines Gesetzesentwurfes von Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der Genitalverstümmelung – im Bundestag
Alle Jahre wieder…nehmen sich die Parlamentarier in Berlin des Themas “Genitalverstümmelung an Mädchen” an und debattieren Anfragen, Anträge einzelner Fraktionen oder ganz aktuell einen Entwurf zur Änderung des Strafrechts, den Bündnis 90/Die Grünen vor einem Jahr eingebracht haben. Die TaskForce hat den Inhalt dieses Gesetzes-Entwurfes bereits ausführlich kritisiert und erläutert, weshalb die geplanten Änderungen keine Verbesserung der Strafverfolgung und auch keinen Schutz für gefährdete Mädchen erreichen können. Der Antrag selbst soll deshalb heute nicht mein Thema sein.
Vielmehr blicke ich auf 15 Jahre zurück, in denen die Problematik der Genitalverstümmelung auf der Agenda der Bundesregierung behandelt wird und stelle die Frage, was sich seitdem in der Bundesrepublik hinsichtlich der Ächtung dieses Verbrechens und des Schutzes gefährdeter Mädchen getan hat.
Als “Pionierin der ersten Stunde” habe ich 1997 als Sachverständige auf der allerersten Bundestagsanhörung über Genitalverstümmelung referiert und erinnere mich noch gut an das politische Klima damals, als es schon als Affront galt, die korrekte Terminologie “Genitalverstümmelung” zu verwenden und das Thema nur schwer aus dem Klammergriff der Kulturrelativisten zu befreien war, die dieses Gewaltverbrechen als “identitätsstiftendes Initiationsritual” feierten und sofort “Kulturimperialismus” schrien, wenn westliche Kritiker allein die Klassifizierung “Menschenrechtsverletzung” vornahmen…
Heute ist im kollektiven Bewusstsein unserer Gesellschaft – einschließlich unserer Politiker – die Wahrnehmung von Genitalverstümmelung als schwere Menschenrechtsverletzung, die nicht hinnehmbar ist und durch nichts zu rechtfertigen ist, sicher verankert. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass dieser Bewusstseinswandel bislang keinerlei nennenswerte Auswirkung auf die Lebenssituation potentieller Opfer in unserem Land hat oder auf den Umgang mit Tätern, die ihre Töchter der Verstümmelung unterwerfen. Im Gegenteil:
Regierung und Parlamentarier sind seit 15 Jahren nicht bereit, gefährdete Mädchen in Deutschland zu schützen und die Strafverfolgung der Täter zu ermöglichen – obwohl beides die Aufgabe des Staates ist.
Die Bundestags-Debatten zu Genitalverstümmelungen drehen sich seit Jahren im Kreis und bleiben – außer regelmäßigen Déjà-Vu-Erlebnissen – ohne Ergebnis, wie ein Vergleich der gestrigen Debatte mit der Parlamentssitzung vor genau 5 Jahren – am 01. Februar 2007 – verdeutlicht.
Einerseits überbieten sich die Politiker mit Wertungen, z.B. “Die genitale Verstümmelung stellt einen besonders drastischen menschenrechtswidrigen Auswuchs von Gewalt gegen Frauen dar.” (Sibylle Laurischk/FDP – 2007), “diese Art der Verstümmelung ist durch nichts zu rechtfertigen, weder durch kulturelle noch durch religiöse Gründe.” (Michaela Noll/CDU,CSU – 2007), “weibliche Genitalverstümmelung ist eine der schwersten Menschenrechtsverletzungen…” (Monika Lazar/Bündnis 90/Die Grünen – 2012), “weibliche Genitalverstümmelung ist ein Verbrechen, für das es keine Rechtfertigung geben darf” (Dr. Kirsten Tackmann/Die Linke – 2007) oder “Genitalverstümmelung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung, eine schwere Verletzung von Grundrechten” (Ute Granold/CDU, CSU – 2012) – andererseits bagatellisieren sie die Problematik und spielen das Ausmaß der Verstümmelungen in Deutschland herunter:
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